Sonntag, 20. Oktober 2013


Short Storys – Klappe die Erste



(Staatlich empfohlenes Liedgut zum vollen Genuss der auf wahren Tatsachen beruhenden, nun folgenden Geschichte: Tube & Berger – Puzzy)

Ich sitze in einem der unzähligen Restaurants in Varanasi. Mit der halben Arschbacke auf der Straße, mit der anderen auf einer Bank für drei Leute mit fünf anderen Indern. Es ist kurz nach halb eins. Eine gute Zeit zum Frühstücken. Direkt vor mir wird das Stück „Eine indische, eineinhalb Meter breite Straße“ aufgeführt, teilnehmende Schauspieler sind:
Eine Kuh.

Eine alte Frau mit leuchtenden Augen und mehr Falten im Gesicht, als ihr farbenprächtiger, tiefgrüner Sari wirft.

Ein Mann der herumschreit.

Ein Motorradfahrer samt seines Motorrads, der ohne auch nur die geringste Regung zu zeigen und seine Hupe penetrierend, zweieinhalb Zentimeter an meiner rechten Kniescheibe vorbeischießt.

Shrankar. Einer der nettesten und korrektesten Menschen die ich hier kennenlernen durfte. Im gehört der Hosenladen - gegenüber des Restaurants - in dem er zwölf Stunden am Tag steht. Er lächelt mir zu und animiert seinen Sohn den auf dem Arm trägt, Hare Krishna, ebenfalls zu winken. Das acht Monate alte, unter den Augen schwarz geschminkte Kind, hat offensichtlich keinen Bock.

Ein unbekannter Mann außerhalb meines Blickfeldes im Musik-Geschäft, das auf  gleicher Straßenseite, direkt an das Restaurant anschließt. Er scheint für die Vertonung des Stücks verantwortlich zu sein. Hauptsächlich verkaufen diese Läden indische Sitar-CDs und ostasiatische Flötenmusik. Aus nicht zu eruierenden Gründen läuft seit den letzten 20 Minuten jedoch Goa-Techno und Trance. Auf voller Lautstärke versteht sich.

Eine weitere Kuh am linken Rand der Bühne.


Das ist also die sich mir bietende Situation. Und um es in einem Satz zu sagen: Ich liebe es! Inzwischen habe ich mich halbwegs an den varanasischen Rhythmus angepasst und ich kann mir nicht mehr vorstellen, mein israelisches Frühstück, ohne dieses alltägliche Schauspiel zu verspeisen. Heute jedoch läuft es irgendwie aus dem Ruder. Ein Mann setzt sich in die andere Ecke des Restaurants (wie hat der da denn noch einen Platz bekommen?) und fängt an, in aller Ruhe seine Zeitung „Hindustantimes“ zu lesen. Ich weiß nicht so recht warum, aber ich setze mich zu ihm, unter dem Vorwand mit dem Restaurantbesitzer, der ein sehr netter Kerl ist, ein paar Worte deutsch wechseln zu wollen (Er war vor zwei Jahren für ein halbes Jahr in Deutschland um zu arbeiten).
Auf einmal unterbricht der, mir vollkommen unbekannte Mann, unser Gespräch. Ohne wirklich zu erklären wer er ist, wie er heißt, oder was er sonst so mit seinem Leben anstellt, beginnt er mich nach meinem Geburtsdatum zu fragen. Was soll’s, denke ich mir und verrate ihm meinen wirklichen Geburtstag. Er ist ein Wahrsager, hier das Protokoll:


Gestern war Vollmond. Erinnerst du dich? Das ist der Grund warum du dich gestern nicht so gut gefühlt hast.

Du liebst den Mond, hast oft mit Freunden darüber gesprochen. Er übt eine besondere Anziehungskraft auf dich aus.

Du hast eine enge Verbindung zu deiner Mutter. Sie spielt eine bedeutende Rolle in deinem Leben.

Du frierst leicht.

Du hast einen jüngeren Bruder.

Noch vor deinem nächsten Geburtstag, wird dir etwas sehr wertvolles für dein weiteres Leben widerfahren.

Deine Persönlichkeit befindet sich in einer großen Veränderung.

In deinem 27-zigsten Lebensjahr sei besonders vorsichtig wenn du Auto fährst. Ansonsten wird dich ein schlimmer Unfall ereilen.


Ich unterbreche ihn. Ich weiß nicht, ob ich ernsthaft interessiert bin. Gleichzeitig überkommt mich das Bedürfnis laut zu lachen. Eine so abstruse Szene, all die Geräusche, der Lärm und gleichzeitig ein Mann, den ich noch nie zuvor gesehen habe, der mir, zu den Klängen von Trance Musik und härtestem Techno, mein Leben erklären will!
Obwohl ich definitiv nicht an Wahrsagerei glaube, bitte ich ihn, nicht weiterzureden. Er ist einverstanden, viel mehr hätte er mir zum jetzigen Zeitpunkt sowieso nicht sagen können. Er will weder Geld, noch verweist er mich auf seine Praxis, wie all die anderen „weisen Männer“. Er wünscht mir einen schönen Tag und geht. Was für ein, kleines, verrücktes Männchen.
Und es ist doch interessant wie ich, noch zwei Stunden später, über diesen Mann – der mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nur ein bisschen Kohle machen wollte – nachdenke, und mit welchem rational zu erklärenden System, er in zwanzig Sekunden, so viele richtige Fakten über mich ausgraben konnte. Oder bin ich einfach nur zu verbohrt und habe Angst vor allem Neuen, Fremden, Unerklärlichen?

Vielleicht hat er mich auch einfach einer Gehirnwäsche unterzogen. In einem Monat bin ich festes Mitglied seiner Sekte und in einem Jahr, leugne ich die irdische Herkunft meiner Eltern, um mich im Anschluß, in einer orgienähnlichen Gruppenkorpulation, auf das unter Drogeneinfluss stattfindende, blutige Opfern eines jungen Lamms vorzubereiten....




Und wie läufts bei euch so?

Greetings
Mr. Träumer



Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen