Sonntag, 6. Oktober 2013


Vom Bahn fahren, dem Guru-Shopping und den Beatles (Delhi – Rishikesh)

Von Delhi geht es also auf in den Norden, in den Bundesstaat Uttarakhand nach Dehradun. Der Zug fährt um 6 Uhr früh, letztendlich bin ich aber eine halbe Stunde zu früh an meinem Gleis. Das allerdings auch erst nachdem mir zwei Inder mit herzensguter Miene versichern wollten, mein Zug (der absolut pünktlich abfährt), habe fünf Stunden Verspätung und ich solle doch einfach für eine Neubuchung, schnell in ihr Touristenbüro reinschauen. Nachdem also alles reibungslos geklappt hat und ich mit gefühlten zwei Millionen anderen Menschen auf den Zug warte, wird mir endgültig klar, warum man so oft hört: „Wenn du in Indien nicht wenigstens einmal mit dem Zug gefahren bist, warst du nie wirklich dort“. Indische Bahnhöfe sind unglaublich!
Durchfahrt durch einen Vorotbahnhof Delhis
Tausende Menschen die hier warten, essen, schlafen, wohnen, kochen, streiten, lachen, stehlen, handeln, riesige Handkarren mit verschiedensten Gütern beladen hinter sich herziehen, oder einfach nur diese irrwitzige Szenerie beobachten bis ihr Zug endlich einläuft. Als dann der Shatabdi Express Richtung Norden pünktlich ankommt – und ganz nebenbei der mit Abstand längste Zug ist, den ich bisher gesehen habe – geht auf dem Bahnhof bei all denjenigen die nur ein Ticket für die Second Class gelöst haben, ein wildes Hauen und Stechen um die begrenzten Sitzplätze los. Da ich mir für meine erste indische Zugfahrt den Luxus eines davor reservierten klimatisierten Sitzplatzes, mit dazugehörigem Frühstück gegönnt habe (das Ticket kostet umgerechnet knapp 6 €), kann ich dieses Schauspiel mit relativer Gelassenheit beobachten. Und als wir dann endlich losfahren ist der gesamte Bahnsteig tatsächlich einigermaßen leer – was allerdings, wie ich nachher feststellen muss, daran liegt das jeder, also wirklich ausnahmslos jeder, freie Fleck dieses Zuges als Transportmöglichkeit genutzt wird. Und dazu zählen neben dem fast voll besetzten Dach, alle verfügbaren Trittbretter, Wagonzwischenräume und jeder sonst noch an einem Zug vorstellbare Platz.

Taxifahrt in Haridwar
Ich für meinen Teil habe mich auf der ca. sechs Stunden langen Zugfahrt spontan umentschieden und steige nicht erst in Dehradun, sondern schon eine Stadt davor, in der Pilgermetropole Haridwar, direkt am heilgen Ganges aus. Hier habe ich geplant in einem bekannten Ashram abzusteigen und in die indische Yoga – und Meditationskultur einzutauchen. 


HARIDWAR

Zwei Jungs auf der Brücke über den Ganges in Haridwar
Nach einer weiteren kurzen Horrorfahrt (obwohl ich mich langsam an die indische Interpretation des Miteinanders im Straßenverkehrs gewöhne) in einer Rikscha vom Bahnhof aus, stehe ich dann vor dem Ashram meiner Wahl. Es ist ein riesiger Gebäudekomplex mit, wie man mir erzählt hat, eigenen Ghats (Treppenstufen zum Ganges hinunter). Als ich einchecken will, überkommen mich allerdings die ersten Zweifel. Überall hängen billig-bunte Bilder irgendwelcher lebender Gurus, die eher wie Geschäftsmänner, denn wie weise Greise ausschauen. 


Badende an den öffentlichen Ghats
Als ich – glücklicherweise bevor ich zahlen soll – mir mein Zimmer anschauen darf, schlägt meine Einstellung dann endgültig um. Wir laufen durch mehrere lange Gänge und kommen dabei immer wieder an offenen Gittertüren vorbei. Als ich nachfrage wofür diese da sind, antwortet mir der mich herumführende Mönch mehrmals nicht. Das Zimmer ist eine vier Quadratmeter große Zelle mit einer Holzpritsche darin. Ansonsten zeichnet sich der Raum durch eine doch sehr dezent gehaltene Einrichtung aus. Die Pritsche ist nämlich das einzige Möbelstück im Raum. Eine Nacht, inklusive der Kurse soll mich 300 Rupien kosten! Da winke ich dankbar ab. Und das nicht, weil ich die Woche als Hobbyasket (kein Alkohol, kein Fleisch, keine Zigaretten, vorgegebene Bettruhe etc.) fürchte, sondern vielmehr weil ich begreifen muss, das hier klassische indische Geisteshaltungen, zum Geschäft verkommen sind.

Unsere Rikscha-Taxicrew
Nachdem ich schnell die Flucht ergriffen habe, entscheide ich mich noch am selben Tag weiter Richtung Norden, nach Rishikesh zu reisen. Dies ist allerdings nur mit einer Rikscha möglich, die Landschaft ist hier nun schon zu bergig. Obwohl die Straßen sich eher als eine Aneinanderreihung von Löchern entpuppen und die Fahrt über eine halbe Stunde dauert, genieße ich sie. Zwei sehr nette Jungs aus Haridwar, etwa in meinem Alter, fahren die aufgepimpte Rikscha mit einer irrwitzigen Geschwindigkeit und wenn wir an einer Gruppe Jugendlicher vorbei fahren, mit den aktuellen indischen Charts so laut wie möglich aufgedreht. So stelle ich mir eine indische Rikscha-Fahrt vor!


Schaut man währenddessen allerdings nach links und rechts kommt mir die Armut hier – falls das überhaupt möglich ist – fast noch größer vor als in Delhi. Und dafür wirken die Religion und der Hinduismus fast schon fanatisch ausgelebt! Wer einmal tausende Menschen, die meisten gerade aus irgendwelchen primitivsten Unterkünften gekrochen, bei der gemeinsamen rituellen Waschung im Ganges beobachtet, bekommt seinen Mund vor lauter Staunen nicht mehr zu.
Tausende Gläubige am Ganges direkt an einem Staudamm



RISHIKESH


Rishikesh! Nur über die (nur für Fußgänger) erbaute Hänge-
brücke, kommt man zum heiligen Hindutempel der Stadt
In Rishikesh angekommen erwartet mich ungefähr das, was ich davor von der Stadt schon gelesen hatte. Eine - für indische Verhältnisse - sehr touristische Kleinstadt, die seit dem Besuch der Beatles (die hier laut meinem Reiseführer fast das komplette White-Album geschrieben haben) eine Stadt für alle Sinnsuchenden, Backpacker, Gurus, Yogameister, Scharlatane und traditionell eine heilige Stadt für alle Hindus ist. Obwohl auch hier die, doch sehr hohe „Guru-Dichte“ auf ein Geschäft mit der indischen Lebensart hinweist, fühle ich mich auf Anhieb wohl. Billigste Übernachtungsmöglichkeiten, feinstes Essen und viele Backpacker mit denen man sich austauschen kann. Wenn ich ganz ehrlich bin, bemerke ich schon wie sehr es mich freut, mal wieder über längere Stunden mit westlichen Backpackern zu plaudern, nachdem ich die letzte Woche fast nur mit Einheimischen zu tun hatte. Neben sehr vielen sympathischen Leuten (an dieser Stelle einen dicken Gruß an Shai Seagal ;)) trifft man hier auch viele „hängengebliebene“ Westler, abgestürzte Backpacker und absolut abgespacete Menschen, von singenden Hare-Krishna-Anhängern bis hin zu komplett tätowierten Drogendealern. Trotzdem, ein sehr lebendiger Ort mit vielen kommunikativen Menschen.

Der Hindutempel auf der anderen Seite des Ganges

Blick auf die Brücke und den Tempel von den Ghats aus
Blick über den Ganges Richtung Norden in die Aus-
läufer des westlichen Himalaya
Blick von den Ghats aus Richtung Süden

Der Ganges ist hier, unweit der Quelle noch wesentlich unverschmutzter und auch für Europäer ungefährlich. Und eine indische Großfamilie beim gemeinsamen Bad zum Sonnenuntergang im Ganges zu beobachten ist extrem faszinierend. 

Großer Trubel, schreiende und lachende Kinder und zwischendrin die Großeltern, die für einen kurzen Moment innehalten, beten und dann in den Ganges tauchen.









Bevor ich von hieraus weiterreise, muss ich mir glaube ich auch noch einmal ein heiliges Bad im Ganges gönnen ;)




Mit den letzten Fotos Grüße an alle!!



Want to do some Yoga?



















Überall Affen...
















Die Tempelanlage war leider nur für Hindus zugänglich

















Blick von der Hängebrücke Richtung Süden

Schlauchboot-Palast

Lieblingsrestaurant 

















Bücherei





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