Vom Bahn
fahren, dem Guru-Shopping und den Beatles (Delhi – Rishikesh)
Von Delhi geht es also auf in den Norden, in den
Bundesstaat Uttarakhand nach Dehradun. Der Zug fährt um 6 Uhr früh, letztendlich
bin ich aber eine halbe Stunde zu früh an meinem Gleis. Das allerdings auch erst
nachdem mir zwei Inder mit herzensguter Miene versichern wollten, mein Zug (der
absolut pünktlich abfährt), habe fünf Stunden Verspätung und ich solle doch
einfach für eine Neubuchung, schnell in ihr Touristenbüro reinschauen. Nachdem
also alles reibungslos geklappt hat und ich mit gefühlten zwei Millionen
anderen Menschen auf den Zug warte, wird mir endgültig klar, warum man so oft
hört: „Wenn du in Indien nicht wenigstens einmal mit dem Zug gefahren bist,
warst du nie wirklich dort“. Indische Bahnhöfe sind unglaublich!
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Durchfahrt durch einen Vorotbahnhof Delhis |
Tausende Menschen die hier warten, essen, schlafen,
wohnen, kochen, streiten, lachen, stehlen, handeln, riesige Handkarren mit
verschiedensten Gütern beladen hinter sich herziehen, oder einfach nur diese
irrwitzige Szenerie beobachten bis ihr Zug endlich einläuft. Als dann der
Shatabdi Express Richtung Norden pünktlich ankommt – und ganz nebenbei der mit
Abstand längste Zug ist, den ich bisher gesehen habe – geht auf dem Bahnhof bei
all denjenigen die nur ein Ticket für die Second Class gelöst haben, ein wildes
Hauen und Stechen um die begrenzten Sitzplätze los. Da ich mir für meine erste
indische Zugfahrt den Luxus eines davor reservierten klimatisierten
Sitzplatzes, mit dazugehörigem Frühstück gegönnt habe (das Ticket kostet
umgerechnet knapp 6 €), kann ich dieses Schauspiel mit relativer Gelassenheit
beobachten. Und als wir dann endlich losfahren ist der gesamte Bahnsteig
tatsächlich einigermaßen leer – was allerdings, wie ich nachher feststellen
muss, daran liegt das jeder, also wirklich ausnahmslos jeder, freie Fleck dieses
Zuges als Transportmöglichkeit genutzt wird. Und dazu zählen neben dem fast
voll besetzten Dach, alle verfügbaren Trittbretter, Wagonzwischenräume und
jeder sonst noch an einem Zug vorstellbare Platz.
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Taxifahrt in Haridwar |
Ich für meinen Teil habe mich auf der ca. sechs
Stunden langen Zugfahrt spontan umentschieden und steige nicht erst in Dehradun,
sondern schon eine Stadt davor, in der Pilgermetropole Haridwar, direkt am
heilgen Ganges aus. Hier habe ich geplant in einem bekannten Ashram abzusteigen
und in die indische Yoga – und Meditationskultur einzutauchen.
HARIDWAR
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Zwei Jungs auf der Brücke über den Ganges in Haridwar |
Nach einer
weiteren kurzen Horrorfahrt (obwohl ich mich langsam an die indische
Interpretation des Miteinanders im Straßenverkehrs gewöhne) in einer Rikscha vom Bahnhof aus, stehe ich dann vor dem Ashram meiner Wahl. Es ist ein
riesiger Gebäudekomplex mit, wie man mir erzählt hat, eigenen Ghats (Treppenstufen zum
Ganges hinunter). Als ich einchecken will, überkommen mich allerdings die ersten Zweifel.
Überall hängen billig-bunte Bilder irgendwelcher lebender Gurus, die eher wie
Geschäftsmänner, denn wie weise Greise ausschauen.
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Badende an den öffentlichen Ghats |
Als ich – glücklicherweise
bevor ich zahlen soll – mir mein Zimmer anschauen darf, schlägt meine
Einstellung dann endgültig um. Wir laufen durch mehrere lange Gänge und kommen
dabei immer wieder an offenen Gittertüren vorbei. Als ich nachfrage wofür diese
da sind, antwortet mir der mich herumführende Mönch mehrmals nicht. Das Zimmer
ist eine vier Quadratmeter große Zelle mit einer Holzpritsche darin. Ansonsten
zeichnet sich der Raum durch eine
doch sehr dezent gehaltene Einrichtung aus. Die Pritsche ist nämlich das
einzige Möbelstück im Raum. Eine Nacht, inklusive der Kurse soll mich 300
Rupien kosten! Da winke ich dankbar ab. Und das nicht, weil ich die Woche als
Hobbyasket (kein Alkohol, kein Fleisch, keine Zigaretten, vorgegebene Bettruhe etc.) fürchte, sondern vielmehr weil
ich begreifen muss, das hier klassische indische Geisteshaltungen, zum Geschäft
verkommen sind.
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Unsere Rikscha-Taxicrew |
Nachdem ich schnell die Flucht ergriffen habe,
entscheide ich mich noch am selben Tag weiter Richtung Norden, nach Rishikesh
zu reisen. Dies ist allerdings nur mit einer Rikscha möglich, die Landschaft
ist hier nun schon zu bergig. Obwohl die Straßen sich eher als eine
Aneinanderreihung von Löchern entpuppen und die Fahrt über eine halbe Stunde
dauert, genieße ich sie. Zwei sehr nette Jungs aus Haridwar, etwa in meinem
Alter, fahren die aufgepimpte Rikscha mit einer irrwitzigen Geschwindigkeit und wenn
wir an einer Gruppe Jugendlicher vorbei fahren, mit den aktuellen indischen Charts so
laut wie möglich aufgedreht. So stelle ich mir eine indische Rikscha-Fahrt vor!
Schaut man währenddessen allerdings nach links und
rechts kommt mir die Armut hier – falls das überhaupt möglich ist – fast noch
größer vor als in Delhi. Und dafür wirken die Religion und der Hinduismus fast
schon fanatisch ausgelebt! Wer einmal tausende Menschen, die meisten gerade aus
irgendwelchen primitivsten Unterkünften gekrochen, bei der gemeinsamen
rituellen Waschung im Ganges beobachtet, bekommt seinen Mund vor lauter Staunen
nicht mehr zu.
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Tausende Gläubige am Ganges direkt an einem Staudamm |
RISHIKESH
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Rishikesh! Nur über die (nur für Fußgänger) erbaute Hänge-
brücke, kommt man zum heiligen Hindutempel der Stadt |
In Rishikesh angekommen erwartet mich ungefähr das,
was ich davor von der Stadt schon gelesen hatte. Eine - für indische Verhältnisse - sehr touristische Kleinstadt,
die seit dem Besuch der Beatles (die hier laut meinem Reiseführer fast das
komplette White-Album geschrieben haben) eine Stadt für alle Sinnsuchenden,
Backpacker, Gurus, Yogameister, Scharlatane und traditionell eine heilige Stadt
für alle Hindus ist. Obwohl auch hier die, doch sehr hohe „Guru-Dichte“ auf ein
Geschäft mit der indischen Lebensart hinweist, fühle ich mich auf Anhieb wohl.
Billigste Übernachtungsmöglichkeiten, feinstes Essen und viele Backpacker mit
denen man sich austauschen kann. Wenn ich ganz ehrlich bin, bemerke ich schon wie
sehr es mich freut, mal wieder über längere Stunden mit westlichen Backpackern
zu plaudern, nachdem ich die letzte Woche fast nur mit Einheimischen zu tun hatte. Neben sehr vielen sympathischen Leuten (an
dieser Stelle einen dicken Gruß an Shai Seagal ;)) trifft man hier auch viele
„hängengebliebene“ Westler, abgestürzte Backpacker und absolut abgespacete
Menschen, von singenden Hare-Krishna-Anhängern bis hin zu komplett tätowierten
Drogendealern. Trotzdem, ein sehr lebendiger Ort mit vielen kommunikativen Menschen.
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Der Hindutempel auf der anderen Seite des Ganges |
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Blick auf die Brücke und den Tempel von den Ghats aus |
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Blick über den Ganges Richtung Norden in die Aus-
läufer des westlichen Himalaya |
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Blick von den Ghats aus Richtung Süden |
Der Ganges ist hier, unweit der Quelle noch wesentlich unverschmutzter und auch für Europäer ungefährlich. Und eine indische Großfamilie beim gemeinsamen Bad zum Sonnenuntergang im Ganges zu beobachten ist extrem faszinierend.
Großer Trubel, schreiende und lachende Kinder und zwischendrin
die Großeltern, die für einen kurzen Moment innehalten, beten und dann in den Ganges
tauchen.
Bevor ich von hieraus weiterreise, muss ich mir glaube ich auch noch einmal ein heiliges Bad im Ganges gönnen ;)
Mit den letzten Fotos Grüße an alle!!
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