Dienstag, 26. November 2013

Durch den Norden

(Shimla - Chandigarh - Varanasi)


Blick von Shimla nach Süden
In den letzten Tagen, hat sich meine Reise etwas anders gestaltet als die Wochen davor. Grund dafür ist vor allem mein Plan gewesen, bis zum 24. November für eine Geburtstagsfeier, wieder in Varanasi zu sein sowie die Reiselust meiner augenblicklichen Begleiter. So geht es also in einer Woche über 1000 Kilometer mit Schmalspurbahnen, Bussen und natürlich übers gute, alte Schienennetz der Indian Railway, vom hohen Norden Indiens zurück nach Varanasi. Auf dem Weg, machen wir für jeweils zwei volle Tage Halt in Shimla und Chandigarh. Zwei Städte die nur sehr wenig gemeinsam haben. Sie sind interessant und jede auf ihre Weise faszinierend. Ansonsten aber komplett verschieden.

Blick nach Norden
Shimla, auf über 2000 Metern gelegen, wurde von den englischen Kolonialherrschern im Jahr 1819 erobert und als Sommerresidenz genutzt, um der Hitze in den Ebenen Zentralindiens zu entfliehen. Dementsprechend britisch wirkt die Stadt, speziell die völlig antiquiert und doch irgendwie stilvoll wirkenden Snooker -und Tea Clubs. Viele der an belgische Kleinstädte erinnernden Häusern im Stadtkern, sind auch noch über sechzig Jahre nach den Engländern, mit goldenen Aufschriften wie "Members Only" versehen. Und Richtung Nordosten blickt man eindrucksvoll auf die erste wirklich hohe Gebirgskette des Himalaya in Tibet, eigentlich also China. Und während der gesamten zwei Tage sehen wir genau eine Ausländerin. Der gesamte Rest sind Inder oder indische Touristen, was der, ebenso auf den umliegenden Bergkämmen, verstreut liegenden Stadt, einen ganz besonderen Charme verleiht. Und über Shimla thront eine orangene, zwanzig Meter hohe Statue des hinduistischen Affengottes Hanuman. So eindrucksvoll und gleichzeitig so kitschig, bekommen so etwas definitiv nur Inder hin. Dazu passend leben am Berghang zum Tempel hoch, tausende Affen. Paviane. Und wer das als nettes Naturabenteuer sieht, dem droht ein böses Erwachen. Für die letzte halbe Stunde auf den Gipfel, kann man sich in einem kleinen Geschäft für zehn Rupien, als Wanderstöcke getarnte Schlagruten ausleihen. Und in einigen Situationen sind wir glücklich zu dritt und gut bewaffnet zu sein, weil ein knurrendes Pavianmännchen das auf deine Kamera scharf ist, doch einschüchternder wirkt als zuerst gedacht.

Bahnsteigausblick
Und gerade angekommen geht es dann auch schon wieder weiter. Mit einer der wenigen Schmalspurbahnen Indiens, aus dem Gebirge heraus Richtung Süden nach Chandigarh. Die ca. fünf Stunden dauernde Fahrt, ist ein echtes Highlight meiner Zeit im Norden und zeigt noch mal, dass die Engländer wenigstens bei der Wahl ihrer Rückzugsorte in Indien, ein gutes Händchen bewiesen haben. 






















CHANDIGARH


In Chandigarh angekommen, gibt es dann das fette Kontrastprogramm vor den Latz geknallt. Während die Straßen im verschlafenen Shimla eigentlich nur aus Treppen existieren und dadurch weder Straßenverkehr noch - für indische Verhältnisse - besonders viel Lärm herrscht, gestaltet sich das, als wir aus dem Bahnhof in Chandigarh heraustreten nicht ganz so. Fünfzehn bis zwanzig Tuk-Tuk Fahrer stürmen auf einen zu. Nach fünf Minuten Herumpalaver und Verhandlungen mit verschiedensten Kandidaten, steigen wir letztendlich in eines der Dreiräder zu zwei lustigen Indern, die sich vor dem Start erstmal noch eine dicke Tüte anstecken. Na das nenne ich mal vertrauenswürdige Taxifahrer. Am Ende werden wir jedoch absolut sicher durch den Straßenverkehr Chandigarh's navigiert. Nach fast zwei Stunden Hotelsuche und einer dabei mehr oder weniger mitabsolvierten Stadtrundfahrt, finden wir letztendlich ein im Vergleich zu meinen bisherigen Unterkünften sündhaft teures Hotel. Für 1500 Rupien (ca. 6,50 für jeden) pro Nacht, liegt unser Schlafplatz dafür aber ziemlich zentral.

Beste Vorraussetzungen also für die Erkundungstour der nächsten zwei Tage. Und die offenbaren eine Stadt wie ich sie noch nie zuvor in meinem Leben gesehen habe und die mir, gerade hier in Indien, fast schon deplatziert, unwirklich vorkommt. Chandigarh ist neben der brasilianischen Stadt Brasilia eine der wenigen, komplett am Reißbrett entworfenen Städte auf der Welt. Für die Konstruktion der Stadt - die in manchen Teilen wirklich bis auf den letzen Baum geplant ist - wurde vom Franzosen Le Courbussier in den 60er Jahren sogar eine neue Maßeinheit erdacht. Hier entsteht die Idee der Sozialwohnungen, allerdings noch mit dem Idealismus der Architekten, Kunst zu schaffen die den Menschen zu Gute kommt. Als die Stadt aus dem Boden gestampft wird, sind die Verantwortlichen überzeugt, hier die Form des Wohnens der folgenden Generationen erschaffen zu haben. Chandigarh soll die Hauptstadt Indiens nach der Abspaltung von Pakistan werden. Ein Megaprojekt.


Sitz der Regierung von Punjab
Sektor 17 - City Centre
Die Stadt teilt sich in Sektoren auf, allesamt 800 mal 1200 Meter groß. Rechteckige Wohneinheiten, durchzogen von Parkanlagen und Straßen, auf den allerdings keine Autos erlaubt sind. Jede Parzelle kann autonom existieren. Es gibt Supermärkte, Schulen, Kinos usw. in jedem Sektor. Man ist nicht gezwungen sein Stadtviertel zu verlassen, wenn man nicht will. Die Kriterien nach denen die Stadt angelegt wurde sind "Light, Air & Sound". Dementsprechend gibt es zahlreiche, riesige Parks. Viele der, oftmals sehr großen Gebäude, versprühen den Charme futuristischer, gerade gelandeter Raumschiffe vermischt mit dem Anblick liebloser DDR-Plattenbauten. Dazu sind die um die Blocks herumführenden Straßen, breite Alleen. Und ich bemerke, nicht mehr an unverstopfte Straßen und westlich-anmutende Straßenzüge, gewöhnt zu sein. Eine sehr wohlhabende Stadt, viele der Einwohner sind Sikhs, dass heißt man sieht sehr viele der aufgetürmten, bunten Turbane auf den Köpfen der Männer. Und dazu, viele glücklich wirkende Familien auf Shoppingtour und sogar deutsche Autos auf den Straßen. Kulturschock.

Auditorium im Regierungsbezirk

Wohngebäude
Kein Mensch weit und breit, ein seltenes Phänomen in Indien
Und jetzt also zurück nach Varanasi. Der vor fast einem Monat überlegte Plan, scheint also tatsächlich aufzugehen. Wer hätte das gedacht. Freu mich auf meinen zweiten Besuch in der heiligen Stadt der Hinuds, mal schauen was passiert.


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