Freitag, 22. November 2013

Short Storys - Klappe die Dritte

(Zu Besuch beim Dalai Lama)


Während meiner zehn Tage im Tushita Kloster über Dharamkot, geht am vorletzten Tag plötzlich das Gerücht um, dass der Dalai Lama am nächsten Tag ein Teaching, in seinem buddhistischen Tempel in Mcleod Ganj, abhalten wird. Eine malaysische Investorengruppe hat die Veranstaltung möglich gemacht. Obwohl der Dalai Lama bei seinen öffentlichen Auftritten, generell auf Gagen, Koks und Escort-Service verzichtet, fallen nichtsdestotrotz enorme Kosten an, die die Organisation dieser Massenevents verschlingt. Uns als Besucher kostet die ca. vier Stunden dauernde Zeremonie allerdings keinen Cent, dazu bekommt jeder (!) während des Teachings, Essen und Chai gereicht. Kommen kann wer will. Man braucht weder eine Anmeldung noch muss man irgendwelche Papiere vorzeigen. 
Da das Ganze erst zwei Tage zuvor eingefädelt und bekannt gegeben wurde, scheint die ganze Sache ein relativ kleines Event zu werden. Das bedeutet, so um die eintausend Besucher - was in der Relation zu sonstigen Veranstaltungen, im Tempel in Mcleod mit vier bis fünftausend Menschen, ein Klacks ist.

Also geht es um sieben Uhr morgens am nächsten Tag, in die Tempelanlagen. Zu einem wahren Rockkonzert! Natürlich sind einige Traveller und Inder im Publikum zu finden, die große Mehrheit jedoch sind tibetische Einwohner aus Mcleod.
Aber für eine einzigartige Stimmung, eine Atmosphäre wie ich sie noch nie zuvor erlebt habe, sorgen andere. Der gesamte Boden des Tempels, ist von fast fünfhundert sitzenden Mönchen bedeckt. Entlang der Wände, zieren riesige Glasschreine mit vielarmigen oder mehrköpfigen goldenen Buddhas vor überbordenden Gabentischen, die große Halle. Als ich von der Eingangstreppe, in einen der Nebentempel zur englischen Übersetzung steuere, rezitiert gerade der gesamte Tempel, ein mir unbekanntes Mantra in einem tiefem Brumm-Ton. Die gesamte Halle ist erfüllt von einer einzigen Schwingung. Die Mönche sitzen im Lotussitz und bewegen ihre Oberkörper, jeder in seinem eigenen Rhythmus, leicht hin -und her. Nach meinem Eintreten bleibe ich sekundenlang wie angewurzelt stehen. 
Dann bemerke ich meine Gänsehaut.

Nachdem ich mich dann glücklicherweise wieder bewegen kann, finde ich im ähnlich prunkvoll und mystisch ausgestatteten Nebentempel links der Haupthalle, einen Platz vor einem aufgestellten Plasma-Fernseher. Hier finden sich also die Menschen ein, die der tibetischen Sprache nicht mächtig sind, aber trotzdem etwas buddhistische Weisheit mitnehmen wollen. Und den Dalai Lama gibt's dann eben auf 50 Zoll - vielleicht ja sogar auf HD. Die nächsten dreißig Minuten bis zum Start der Zeremonie, verbringe ich größtenteils mit Schauen, Staunen und Zuhören. 

Auf der Center Stage, direkt nach Metallica & Mantras, geht es dann also endlich los. Da kommt er. Zuerst läuft der alte Mann in die Nebenhalle zu uns Westlern. Was sich jetzt abspielt, hätte definitiv eine noch ausführlichere Beschreibung verdient, als ich sie liefern kann. 
Zuallererst - das muss und will auch ich, als notorischer Glaubensverweigerer, und zynischer Freizeit-Spiritueller (gibt es das überhaupt?) zugeben: Dieses Männchen weiß irgendwas! Ich habe selten eine Person gesehen, die so viel Gelassenheit, ja geradezu Weisheit ausstrahlt. Der Kerl hat Ahnung. Und gleichzeitig ist er unfassbar sympathisch. Nachdem er, umgeben von Bodyguards und anderen heiligen Lamas, kurz hereingelaufen kommt, lässt er ein verschmitztes Lächeln aufblitzen, sagt hallo und dann macht sich der ganze Tross auch schon wieder, auf den ca. zwanzig Meter langen Weg, nach nebenan in den Haupttempel.
So weit so gut. 
Was aber einige Leute daraus machen! Als der Dalai Lama in unseren Raum tritt, werfen sich manche zu Boden, andere wiederum springen förmlich auf. Begeisterung schwappt wie ein Virus durch den Raum. Das Köpferecken um die beste Sicht, dass - fast nur mental-spürbare - Schieben der Menschen, um für ein paar Sekunden, ein paar Zentimeter näher an ihrem heiligen Führer zu existieren, erinnert mich einen Moment lang, an die Jagd nach dem Autogramm irgendeines abgehalfterten Hollywoodstars. Dann ist der Moment vorbei. Der Dalai Lama scheint so ruhig, so freundlich zu sein, dass es förmlich ansteckend wirkt. 

Nachdem er also in die Haupthalle getappelt ist, beginnt das Teaching. Drei Stunden redet der Dalai Lama über die Probleme der Menschen sowie den Weg zur Erleuchtung. Ab und zu streut er mit feiner Selbstironie oder Kritik an den Chinesen, den ein oder anderen Witz ein. Nicht spektakulär - was auch am ständig ins Mikrofon rotzenden Übersetzer liegen kann - aber doch unterhaltsam und, wenn man dem Ganzen mal für fünf Minuten folgen kann, auch interessant. Die Zeit verfliegt. Man meditiert gemeinsam. Und dann ist die ganze Veranstaltung auch schon wieder vorbei.

Nicht erleuchtet, aber doch irgendwie beschwingt, verlasse ich mit den anderen Teilnehmern, Nonnen und Mönchen dann den Tempelkomplex. Und die gelöste Stimmung der anderen Menschen wirkt geradezu ansteckend auf mich. Heide oder nicht. Am Ende des Tages bin ich froh das Teaching besucht zu haben und falls sich die Chance wieder ergeben sollte, werde ich sie definitiv wieder wahrnehmen.

Und um es mit den abschließenden Worten, eines weisen Nickelbrillenträgers zu sagen:

"May all beings be happy"


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