Montag, 24. Februar 2014

An's Ende Indiens und zurück



Fischmarkt in Verkala
In den Süden Indiens und danach an der Westküste, über Goa irgendwie wieder Richtung Norden nach Delhi. Das war der grobe Plan für die Zeit nach Hampi. Aber dann ergibt sich mal wieder alles ganz anders. Mit Freunden aus Varanasi mieten wir uns für drei Wochen in einem billigen Guest House, fünf Gehminuten hinter dem touristischen Strandörtchen Verkala gelegen, ein. Da, außer zwei Hunden gegen gelegentlich gesichtete Räuber, aber weder der Besitzer noch sonst irgendjemand wirklich vor Ort ist, gehört das Haus für diese drei Wochen praktisch uns. Vier Israelis, zwei Deutsche, ein ausgeflippter, tätowierter, brasilianischer Rentner und eine Spanierin. Die Mitbewohner, die in Verkala zwar gefährliche, aber gerade noch so zum Austoben geeignete Brandung, das herrliche Kerala Essen, gepflegtes Blumengießen und alles was zu einem guten Strandurlaub eben so dazu gehört, haben diese Wochen mit Abstand zu der entspanntesten und ruhigsten Zeit gemacht, die ich hier in Indien erlebt habe.




Bunt, laut, schnell: Indische Local-busse
Im Rückblick kommt es mir tatsächlich wie eine Art Urlaub, während meines Trips vor. Denn seit einem Monat, läuft wieder ein Reisefilm vom feinsten. Kurzfristig beschließe ich am letzten Abend in Verkala, den sowieso nicht wirklich existenten Goa-Plan über den Haufen zu werfen und mit Benno - den ich zu Neujahr in Hampi wieder getroffen hatte - sowie Or und Tal, zwei Studenten aus Israel, in den äußersten Süden Indiens zu reisen. Das erste Mal, dass ich in Indien mit einer, vergleichbar großen Gruppe und nicht alleine oder zu zweit reise. Für die angepeilten ein bis zwei Wochen perfekt.




Im Süden Indiens ein häufiges Bild:
Mit Werbung vollgepinselte Hauswände


Neyardum

Erstes Ziel unseres Trips weiter der Sonne nach, ist Neyardum, ein winziges Nest im Dschungel Südindiens, etwas im Landesinneren gelegen. Im in Laufweite beginnenden Naturschutzpark leben Tiger, Löwen, Elefanten und Krokodile. Ich entschließe mich aber gegen eine der Safaris durch den Park. Die Population, speziell die der Raubkatzen sowie der Krokodile, ist nicht besonders hoch, wie uns der etwas zwielichtige Veranstalter am Tag davor ankündigt. Und die Tiere - wie mir danach erzählt wird - in viel zu kleinen Käfigen und sichtbar leidend vorgeführt zu bekommen, ist nicht wirklich das, was ich mir unter einer Safari vorstelle.
Straßenkreuzung in Neyardum
Trotzdem geht mir die Zeit hier, mal wieder viel zu schnell vorbei. Zwei Nächte, knappe drei Tage, in denen man außer uns nur noch ein, zwei andere Reisende, auf der Durchreise in ein etwas höher, in den sanften Hügeln gelegenes Yoga-Ashram, zu sehen bekommt.









Und bei einer kleinen Wanderung, die Tal und ich anstatt der Safari angesetzt haben, gelangen wir nach nicht mal zwanzig Minuten Fußmarsch die kleinen Berge hinauf, in ein noch sehr viel winzigeres Dorf als Neyardum.
Die kleine Siedlung, in der ca. zehn bis fünfzehn Familien leben, ist im Schatten großer, eng stehender Bäume gelegen. Alle Bäume um uns herum sind am Stamm aufgeschlitzt und spenden dickes, weißes Harz in kleine Holzschalen. Ältere indische Frauen gehen ihrer täglichen Arbeit nach. Die Kinder sind noch in der Schule. Die Männer arbeiten. Ein Fernseher ist aus einem der Häuser aus Beton zu hören und ist das leise Hintergrundrauschen, für eine Soundatmosphäre die vom vielstimmigsten Vogelgezwitscher, dass ich bisher erlebt habe, komplettiert wird.
Eine eigenartig entspannte, sehr friedliche Stimmung liegt über dem kleinen Dorf. Nach einmal Hoch-und Runterschlendern entscheiden wir, uns auf das Dach, eines gerade erst fertiggestellten, Betonhauses zu setzen. Völlig überraschend eröffnet uns das kleine Dach einen phänomenalen Blick auf ein, irgendwie unerwartetes, Gebirge nicht weit von uns.

Und dann wird uns von einer der indischen Hausfrauen - nachdem ich zuvor eigentlich schon ein großes indisches Thali zum Frühstück gegessen hatte - vollkommen kommentarlos und mit einem großmütterlichen Lächeln, eine Thaliplatte mit Saucen, Gemüse und zwei riesen Schalen Reis, aufs Dach gebracht. Wir sind verdutzt, erfreut und die natürliche Art und Weise auf die völlig unbekannten, fremden Reisenden mit dem mildesten Lächeln der Welt, auf einem Hausdach gutes Essen serviert wird, lässt uns zwei, mehr oder weniger sprachlos zurück. Nachdem wir kurz überlegt haben, wie wir uns wenigstens halbwegs revanchieren könnten, finden wir zum Glück noch einen Stift in Tals Tasche. Ein gezeichnetes Herz, ein schnell hingekritzeltes "Thankyou", mit unseren zwei Namen auf eine aufgerissenen Zigarettenschachtel geschrieben, überreichen wir zusammen mit dem kanadischen Kugelschreiber, feierlich der alten Dame. Und nach einer kurzen, herzlichen Verabschiedung samt Küssen auf die Stirn, geht es wieder zurück in unser kleines Guest House an der kaum befahrenen Hauptstraße Neyardums.




Kanyakumari





Nicht mal vierundzwanzig Stunden nach unserer Thali-Einladung, sind wir schon in der nächsten Stadt, direkt am südlichsten Punkt Indiens gelegen.
Direkt vor dem Ende des indischen Kontinents treffen sich hier drei Meere. Die über dem Ozean zu sehende auf -und untergehende Sonne, eine riesige im Meer stehende Statue, indische Touristen, Schulklassen von der Größe so mancher Schule, bunte - mich an Portugal erinnernde - Fischerboote und Häuser, der wilde Ozean und ein, mit großen - und nachts mit Kerzen beleuchteten - steinernden Vaginas, geschmückter Tempel auf dem Festland. Kanyakumari.









Die christlichen Missionare landeten vorwiegend im Süden Indiens.
Und neben gewohnt vieler Hindu-Tempel,
sieht man hier manchmal auch eine Kirche.




Spielende Kids in Kanyakumari








Rhameswaram


Nach einer Nacht und zwei vollen Tagen verlassen wir die Stadt, auf unserem Weg nach Norden. Nächster Halt, nach einer Busfahrt, mit den hier guten Verbindungen der Localbusse (ausgenommen die Fahrweise, und die daraus resultierenden Trampolinsitzungen), befinden wir uns in der Pilgerstadt Rhameswaram, in der wir zwei Nächte bleiben.
Und auf eine eigenartige Weise fühlt man sich in der heiligen Hindu-Stadt, in den Norden Indiens zurückversetzt. Ein riesiger Tempelkomplex, der in manchen Teilen nur für Hindus zugängig ist und der nur ein paar Kilometer entfernte, letzte Strand auf indischem Festland (bevor die Inselkette nach Sri Lanka beginnt), werden mir als die eindrucksvollsten, schönsten Plätze hier in Erinnerung bleiben. Der wilde, weitläufige Strand, auf dem nur verstreut ein paar verfallene Holz -und Palmhütten früherer Fischersiedlungen stehen, der hier sehr gefährliche aber wunderschöne Ozean, die bewegungslos im Schatten sitzenden Menschen sowie eine - trotz des Windes - brütende Hitze, vermittelten auf abstruse Weise ein Ende-der-Welt-Gefühl.









Siedlungen am Ende Indiens, vor der Inselkette Sri Lankas







Madurai

Drei Nächte verbringen wir darauf in der sehr lebhaften Stadt Madurai, weiter Richtung Nordosten. In der Stadtmitte steht ein - von vier riesigen, bunt geschmückten Türmen - flankierter Tempelkomplex. Der phasenweise eher an ein Labyrinth erinnernde Tempel, schaut von außen beeindruckend aus, in die wirklich interessanten, heiligen Räume im Inneren, werden aber erneut nur Hindus zugelassen.































Madurai mit den vier Tempeltürmen im Hintergrund


Und danach geht es für eineinhalb Wochen in die Berge Südindiens, auf ca. zweitausend Meter nach Vattakanal. Eine Kleinstadt und Region, die ich für ihre herrliche Natur, das im moment kalte Winterwette, Mushrooms, hohe Berge und das Charras, lieben gelernt habe.





Jeden Tag den man länger in Indien ist, gewöhnt man sich ein bisschen mehr an den Rhythmus des Subkontinents. Dadurch ergeben sich mehr und mehr Möglichkeiten, das Land zu entdecken. Und auf der anderen Seite, habe ich immer weniger Zeit, darüber zu schreiben. Ohne irgendetwas unternehmen zu müssen, scheint mir, taucht man Stück für Stück, Tag für Tag, Stunde für Stunde, mehr in das - manchmal extreme, manchmal gar nicht so andersartige - Leben in Indien ein.






















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